Artgemäße und tiergerechte Haltung von Pferden © 2010 Gut Hammerberg
Das Gelingen artgerechter Haltung von Pferden als sozial lebende, hochspezialisierte Lauf- und Fluchttiere ist maßgeblich abhängig von der Verantwortung des Menschen, die Beschaffenheit der Haltungs-Umwelt für das
Pferd nach bestem Gewissen weitestgehend zu optimieren.
Jedes Haltungs-System sollte daher den Anforderungen der Pferde, bestimmt durch die Bereiche Bedarfsdeckung
und Schadensvermeidung, gerecht werden.
Ansprüche des Pferdes bzgl. Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung:
• Sozialkontakt: Pferde = Herdentiere
• Bewegung, ausreichend Bewegungsfläche, Raumstruktur (Bewegungsanreiz), Ruheflächen: Pferde = Lauf- und Fluchttiere
• Klima: Pferde = Klimawiderständler und Frischlufter
• Fütterung: Pferde = Dauerfresser
Schaden am Pferd wird verursacht durch:
• fehlende Möglichkeiten der sozialen Integration und Kooperation innerhalb einer Gruppe
• unphysiologische Fortbewegung und zu geringes Platzangebot
• schlechtes Stallklima (Schadgase)
• unsachgemäße Futtergabe
Sozialkontakt
• Pferde sind sozial lebende, gesellige Tiere, die in einem streng hierarchisch organisierten Herdenverband leben (dies gilt auch noch 5000 Jahre nach der Haustierwerdung, der Domestikation).
• Fehlender Sozialkontakt beeinträchtigt Pferde negativ und kann unter anderem zu Verhaltensstörungen führen:
Koppen, Gitterbeißen und Boxenlaufen können die Folge sein.
Bewegung
• Pferde benötigen ein Maximum an Zeit für Bewegung und ein dem entsprechendes Flächenangebot. Bewegung (nicht zuletzt durch Artgenossen) konditioniert Gliedmaßen, Muskulatur, Kreislauf und Atmung.
• Unphysiologische Fortbewegung wie zu langes Verweilen in der Einzelbox birgt u. a. folgende Risiken:
i) stark reduzierte Durchblutung von Muskeln, Gelenken, Sehnen
ii) der Organismus des Pferdes ist leistungsphysiologisch deutlich weniger belastungserprobt, in der Folge
kommt es vermehrt zu Lahmheiten
iii) unzureichende Fortbewegung während der Nahrungssuche – und Aufnahme kann zu Störungen des
Verdauungsapparates führen
Klima
• Pferde sind entwicklungsgeschichtlich betrachtet nicht an das Leben in geschlossenen Stallungen angepasst.
i) Sie verfügen über einen hochempfindlichen Atmungsapparat, der besonders gegen Schadgase (Kohlenstoffdioxid, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Methan) und in Staub enthaltene Mikroorganismen
(wie Bakterien, Viren, Pilzsporen oder Milben) empfindlich ist.
ii) Pferde haben ein höchst spezifisches Anpassungsvermögen bezüglich extremer Hitze und Kälte: das Stallklima sollte ganzjährig dem Außenklima entsprechen.
• Nahezu 80% aller in der klassischen Box aufgestallten Pferde weisen Erkrankungen der Atmungsorgane auf.
(Quelle: TiHo Hannover)
Fütterung
• Pferde sind ontogenetisch bezüglich der Wahl der Nahrungsmittel, nicht zuletzt erkennbar an deren Verdauungstrakt und an der Beschaffenheit der Zähne, bestens an die kontinuierliche Aufnahme („Dauerfresser“) derber, cellulosehaltiger, mit niedrigen protein- und kohlenhydrathaltigen Pflanzenbestandteilen versehene Nahrung , wie sie im folgendem aufgeführt sind, adaptiert.
Für die Pferdeernährung geeignete Pflanzen:
• Wiesen-Fuchsschwanz ( Alopecurus pratensis)
• Geknieter Fuchsschwanz (A. geniculatus)
• Wiesen-Lieschgras (Phleum pratense)
• Wiesen-Rispe (Poa pratensis)
• Glatthafer (Arrhenaterum elatius)
• Roter Schwingel (Festuca rubra)
• Zittergras (Briza media)
• Wilde Möhre (Daucus carota)
• Rot-Klee (Trifolium pratense)
• Wiesen-Pippau (Crepis biennis)
Ungeeignete und giftige Pflanzen in der Pferdeernährung:
• Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)
• Deutsches Weidelgras (Lolium perenne)
• Welsches Weidelgras (Lolium multiforum)
• Jakobs-Kreuzkraut (Senecia jacobaea)
• Wolfsmilch- ( Euphorbia) Arten
• Sumpfschachtelhalm- (Equisetum) Arten
Nicht zuletzt durch zahlreiche wissenschaftliche Studien in jüngster Zeit bewiesen , lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Gruppen-Auslauf-Haltung im Offenstall mit uneingeschränkt zugänglichen, angrenzenden Paddock(s) demnach zur Deckung des Bedarfs die mit Abstand tiergerechteste Haltung für Pferde ist.
Bestimmte Funktionsbereiche wie Fütterung oder Einteilung in verschiedene Gruppen mit unterschiedlicher, rassespezifischer Zusammensetzung, aber auch individuelle Parameter am Pferd, wie beispielsweise Körperbeschaffenheit, Verhalten, Stoffwechselprozesse und Alter müssen allerdings ebenso berücksichtigt werden.